Zugegeben, herrliche maritime Paradiese muss man im Nordosten der USA niemals lange suchen. Aber Martha’s Vineyard ist dann doch eine Klasse für sich. Die Insel südlich der Halbinsel Cape Cod bietet eine Idylle wie aus dem Bilderbuch. Malerische Sandstrände, Segelboote auf dem blauen Wasser des Atlantischen Ozeans, liebevoll gepflegte Häuschen erfreuen das Auge in jedem Moment aufs Neue, während Delikatessen aus dem Meer, kulturelle Höhepunkte und vielleicht sogar die Sichtung eines Prominenten unvergessliche Erlebnisse verheißen.
Nicht ohne Grund ist The Vineyard, wie die Insel unter den Einheimischen meist nur genannt wird, eines der populärsten Urlaubsziele in Massachusetts, um nicht zu sagen in Neuengland. Im Sommer bringen Fähren Besucher zu Tausenden auf das Eiland. Während der Hochsaison bevölkern statt der normalen 20.000 Einwohner zehnmal so viele Menschen Martha’s Vineyard. Nur wenige Meilen vom Festland entfernt und sozusagen der maritime Vorgarten der Metropole Boston, findet man sich auf der drittgrößten Insel an der Ostküste der USA unvermittelt in einer völlig anderen Welt wieder.
Besucher bewundern immer wieder das ursprüngliche Flair. Statt der landesweit üblichen Hotel-, Restaurant- und Einzelhandelsketten findet man handverlesene Orte zum Einkehren und Ausspannen, die ein authentisches Ambiente vermitteln. Was die meisten ebenfalls zu schätzen wissen, ist die ungezwungene Lebensart. Sich in Schale zu werfen, bedeutet auf Martha’s Vineyard, die Flipflops gegen Sneakers zu tauschen. Und die Uhren gehen ohnehin anders; wer eine Viertelstunde zu spät kommt, gilt auf der Insel immer noch als pünktlich. Es herrscht ein Lebensgefühl, das man sich für immer bewahren möchte und dafür sorgt, dass viele Besucher, darunter promintente Größen aus Showbusiness, Wirtschaft und Politik, Jahr für Jahr wiederkommen.
Dabei gibt es immer wieder Neues zu entdecken und auch lauschige Orte, von denen man niemals genug haben kann. Ungefähr ein Drittel der 250 Quadratkilometer großen Insel steht unter Naturschutz. An zahllosen Stellen taucht man wandernd oder mit dem Rad in die herrliche Landschaft ein, die mitunter dramatische Formen annimmt. Ein populäres Ausflugsziel sind die berühmten Aquinnah Cliffs am westlichen Rand der Insel. Auf der Spitze der farbenprächtigen Klippen thront das Aquinnah Cultural Center, das mit einem Museum über die Kultur des indigenen Volkes der Wampanoag informiert, während ein Stück weiter mit dem Gay Head Light der älteste Leuchtturm auf Martha’s Vineyard aus der windzerzausten Umgebung aufragt.
Auf keinen Fall auslassen darf man die Strände der Insel. Zu den schönsten zählen der Lambert’s Cove Beach und der Menemsha Beach. Die nach Nordwesten hin gelegenen Strände überzeugen nicht nur mit weichem, weißem Sand, sondern sind wie geschaffen für unvergessliche Sonnenuntergänge. Der State Beach ist vor allem bei Familien sehr beliebt. Im flachen Wasser des Vineyard Sounds lässt sich hervorragend baden, während der landeinwärts gelegene Sengekontacket Pond zum Kajakfahren einlädt.
Der malerische Hauptort von Martha’s Vineyard Oaks Bluff wirkt mit seinen historischen Holzhäusern aus dem 19. Jahrhundert, die als Gingerbread Cottages bekannt sind, fast wie eine Puppenstube. Zu dem historischen Flair trägt zweifellos das Flying Horses Carousel bei, eine der bekanntesten Attraktionen der Region. Das in den 1870-er Jahren erbaute Kleinod ist das älteste in Betrieb befindliche Karussell seiner Art in den USA. Turbulent geht es auch in der benachbarten Ortschaft Tisbury zu, die besser als Vineyard Haven bekannt ist. Beide Orte sind mit einladenden Restaurants und Shops wie gemacht für Rundgänge.
Eine Besichtigungstour rundet man am besten im Heimatmuseum der Insel in Tisbury ab. Neben Ausstellungen über das maritime Erbe wird mancher überrascht sein zu erfahren, dass Martha’s Vineyard auch im Kampf gegen die Sklaverei eine enorme Rolle spielte. So war es eine Station der geheimen Underground Railroad, die unzähligen Menschen den Weg in die Freiheit bahnte, und war bereits frühzeitig ein Urlaubsziel der farbigen Bevölkerung.
Unter der Regie des Museums stehen mit dem East Chop Light und dem Edgartown Harbor Light zwei der vielen Leuchttürme, ohne die das Bild von Martha’s Vineyard undenkbar wäre. Der Ausblick von den Spitzen der Türme ist die paar Dollar Eintritt allemal wert. In dem vornehmen Edgartown lohnt sich außerdem ein ausgiebiger Bummel durch die Straßen, um ein weiteres Mal die für Neuengland typische Kleinstadtidylle in ihrer reinsten Form zu verspüren. Allein schon die historischen Kapitänshäuser sind eine wahre Augenweide.
Dann gibt es auf Martha’s Vineyard natürlich noch einen prall gefüllten Veranstaltungskalender, der das ganze Jahr über so manchen Leckerbissen verspricht. Und das ist des Öfteren sogar wörtlich zu nehmen, wie das Martha’s Vineyard Food & Wine Festival, die MV Restaurant Week oder das MV Craft Beer Festival beweisen. Populäre Höhepunkte sind darüber hinaus das Martha’s Vineyard Film Festival und die Grand Illumination. Letztere ist eine Tradition mit Ursprung im Jahr 1869, bei der Einwohner von Oak Bluffs ihre Häuser mit unzähligen Papierlaternen dekorieren, die bei Einbruch der Dunkelheit erleuchtet werden und den Ort in einen magischen Glanz tauchen.
Ihren Namen verdankt Martha’s Vineyard dem englischen Entdecker Bartholomew Gosnold, der die Insel nach seiner Tochter Martha und dem vorkommenden wilden Wein benannte. Obwohl noch heute Wein an den Küsten gedeiht, was nicht zuletzt dem vom Golfstrom begünstigten Klima der Insel zu verdanken ist, wird mancher überrascht sein, dass es auf Martha’s Vineyard trotz seines verheißungsvollen Namens nicht ein einziges Weingut gibt. Doch keine Bange, in den Restaurants kredenzen sie erlesene Weine, die vom Festland importiert werden. Alternativ kann man sich auch gern ein Craft Beer genehmigen, das dann sogar direkt vor Ort gebraut wurde.
Die meisten Besucher erreichen die Insel mit Schiffen von Cape Cod aus. Es gibt jedoch auch eine Fähre, die das beliebte Urlauberziel direkt mit dem Hafen von New York City verbindet. In der Hauptsaison fliegen verschiedene Fluggesellschaften die Insel von mehreren großen Airports an. Der Flughafen im Herzen des Eilands ist ganzjährig die Basis der Regionalfluggesellschaft Cape Air, die mit Kleinflugzeugen unter anderem schnelle Verbindungen nach Boston und auf die benachbarte Insel Nantucket gewährleisten. Vor Ort bewegt man sich am besten mit einem gemieteten Fahrrad fort oder nutzt das gut ausgebaute Nahverkehrssystem.